Youtube: Ein Anthropologe über Tarot

In diesem Video erzählt Mattijs van de Port, Anthropologe an der Universität von Amsterdam, welche Erkenntnisse er aus der Verbreitung von esoterischen, magischen, okkulten Praktiken wie Tarot gewinnt. Diese Praktiken tragen zu dem bei, was man einst „Kultur“ nannte und heute vielleicht „Worldmaking“ (was sich nur schlecht als „Welt-Erschaffung“ übersetzen lässt). Diese erschaffenen Welten sind stets nur eine Auswahl, eine „Selektion“ dessen, was die Um-Welten enthalten; sie sind Komplexitätsreduktionen.

Eine Frage, die sich meines Erachtens immer stellt, ist die nach der Ausgestaltung dieser Praktiken. Wir können bei Tarot heute nicht mehr davon ausgehen, dass sie „ererbt“ werden, also als direkte persönliche Tradition funktionieren; sie dürften sich eher medial verbreiten und dabei vielen „Mutationen“ unterworfen sein. Genau das studiert die Anthropologie (die dabei natürlich selbst nur einen selektiven Blick auf ihr Phänomen werfen kann): Wie ‚leben‘ Menschen ein Stück ‚Kultur‘?

Tarot bringt dabei, wie auch van de Port betont, ein Moment des Zufalls (oder: der Botschaft „von außen“) ein. Dieser muss dann durch „sense making“, also interpretativ, wieder eingefangen werden — und dabei hilft der tradierte Rahmen (die „Semantik“) der Deutungen und Bedeutungen. Jede Karte ist möglich, jede Selektion (durch Ziehende oder den Zufall) ist möglich, aber in der Praxis und Praktik des Tarot-Legens taucht an einer bestimmten Stelle nur eine bestimmte Karte auf. Genau in diesem Moment des festgelegten Nichtfestgelegten liegt der Reiz (wie bei Games, Gambling und anderen Formen von Divination auch).

Ein fünfminütiges Video, das sich lohnt – vor allem der Blick des Anthropologen, als er „a guy with seven stars“ (die Sieben der Münzen des normalen Waite-Smith-Decks) zieht und dann vergeblich (!) zu interpretieren versucht. Hat nun der Anthropologe recht — oder die Karten?